Beim Design oder der Fertigung einer Leiterplatte (PCB) stehen Sicherheit und Zuverlässigkeit an erster Stelle. Ein wichtiger Faktor ist die Entflammbarkeit – also wie leicht ein Werkstoff Feuer fängt und wie schnell er wieder erlischt. UL 94, entwickelt von Underwriters Laboratories (UL), ist der am weitesten verbreitete Standard zur Bewertung der Flammbeständigkeit von Kunststoffen und PCB-Materialien.
Dieser Leitfaden erklärt, was UL 94 V-0, V-1 und V-2 bedeuten, wie die Prüfung durchgeführt wird und wie Sie sicherstellen, dass Ihre Leiterplatte diese Einstufungen erfüllt.
Warum Entflammbarkeit im PCB-Design wichtig ist
PCBs werden in Produkten eingesetzt, die Wärme erzeugen oder nahe an Leistungskomponenten liegen. Ein flammhemmendes Material kann verhindern, dass kleine Zündquellen – etwa ein Kurzschluss oder ein Bauteilausfall – einen Brand ausbreiten. UL 94 definiert das Brandverhalten von Werkstoffen bei Flammeneinwirkung und legt Grenzwerte fest, wie lange sie brennen oder glühend nachwirken dürfen – sowie, ob brennende Tropfen fallen dürfen.
Für PCB-Hersteller geht UL 94 oft Hand in Hand mit UL 796, das Aufbau und Sicherheit von Leiterplatten regelt. Zusammen stellen diese Normen sicher, dass die Leiterplatte und ihre Materialien anerkannte Brandschutzanforderungen erfüllen.
Überblick: UL-94-Einstufungen
UL 94 umfasst mehrere Prüfarten; für Leiterplatten-Substrate sind V-0, V-1 und V-2 am gebräuchlichsten. Sie werden mit einem vertikalen Brenntest ermittelt.
Zusammenfassung der Anforderungen
| Einstufung | Brennzeit je Flammenanwendung | Summe aller Brennzeiten (10 Proben) | Brennende Tropfen | Nachglimmen nach Flammenentfernung |
|---|---|---|---|---|
| V-0 | ≤ 10 s | ≤ 50 s | nicht erlaubt | ≤ 30 s |
| V-1 | ≤ 30 s | ≤ 250 s | nicht erlaubt | ≤ 60 s |
| V-2 | ≤ 30 s | ≤ 250 s | erlaubt | ≤ 60 s |
Kurz gesagt: V-0 ist am strengsten – Proben erlöschen sehr schnell und bilden keine brennenden Tropfen. V-1 erlaubt längere Brennzeiten, aber ebenfalls keine brennenden Tropfen. V-2 lässt längeres Brennen und brennende Tropfen zu.
So funktioniert der vertikale Brenntest
Beim UL-94-Vertikaltest wird eine kleine Kunststoff- oder Laminatprobe senkrecht eingespannt. Eine definierte Flamme wird 10 Sekunden an die Unterkante gehalten und anschließend entfernt. Die Prüfer messen, wie lange das Material weiter brennt oder glüht. Danach wird die Flamme weitere 10 Sekunden erneut angelegt, um das Verhalten zu wiederholen.
Es werden zehn Proben bewertet. Um eine Einstufung (V-0, V-1 oder V-2) zu erreichen, müssen die aufsummierten Brennzeiten und das Tropfverhalten die oben genannten Grenzwerte einhalten. Der Test simuliert, wie sich Materialien verhalten, wenn innerhalb eines Geräts oder Gehäuses eine kleine interne Flamme auf eine Leiterplatte trifft.
Weitere UL-94-Kategorien sind HB (Horizontalbrennprüfung) sowie 5VB und 5VA. HB ist am wenigsten streng (horizontal), 5VA strenger als V-0. Für PCBs sind die vertikalen Einstufungen der Hauptbezugspunkt.
V-0 in der PCB-Fertigung erreichen – so geht’s
V-0-zertifizierte Materialien wählen
Beginnen Sie mit Basismaterialien (Laminaten), die bereits UL 94 V-0 erfüllen. Die meisten Standard-FR-4-Materialien – z. B. Isola 370HR, Panasonic MEGTRON oder Shengyi S1000H – sind V-0-zertifiziert. Für Hochfrequenz-Leiterplatten erreichen Materialien wie Rogers RO4000 oder Isola I-Tera MT40 ebenfalls dieses Niveau. Prüfen Sie dies immer im Technical Data Sheet (TDS).
Alle Materialien im Stack-up verifizieren
Prüfen Sie nicht nur den Kern (Core). Lötstopplack, Bestückungsdruck (Legend Ink), Klebstoffe und Verguss-/Beschichtungsmaterialien müssen dieselbe Flammklasse einhalten. Ein einziges nicht eingestuftes Material kann das Gesamtergebnis gefährden.
Designfaktoren berücksichtigen
Kupferdicke, Harzgehalt und Öffnungen im Lötstopplack beeinflussen den Wärmestrom. Scharfe Ecken oder harzreiche Zonen können Wärme lokalisieren. Flussmittelrückstände gründlich entfernen – verbleibende Chemikalien können die Entzündbarkeit erhöhen.
Mit UL-zertifizierten Fertigern arbeiten
Benötigt Ihr Produkt eine UL-Kennzeichnung, wählen Sie einen PCB-Fertiger, der unter UL 796 gelistet ist und die Flammklassifizierung im UL-Dossier führt. Das sichert reproduzierbare Fertigung und saubere Dokumentation.
Wann ist V-0 erforderlich?
Für die meisten kommerziellen und industriellen Elektroniken ist V-0 das Ziel, weil es den besten Sicherheitsabstand bietet. Consumer-Produkte, Automotive-Module und Netzteile spezifizieren üblicherweise PCBs mit V-0.
V-1 kann für niedrigleistungsfähige oder gekapselte Anwendungen ausreichend sein, in denen tropfende oder langsamer selbstlöschende Materialien kein Risiko darstellen. V-2 wird in kritischen Elektroniken selten eingesetzt, da brennende Tropfen benachbarte Komponenten entzünden können.
Flexible Polyimid-Folien und PTFE-Hochfrequenzverbunde können ebenfalls V-0 erreichen; die Zertifizierung hängt jedoch von Sorte und Dicke ab.
Häufige Missverständnisse
- „FR bedeutet automatisch V-0.“
Nicht immer. FR steht für flammhemmend, aber nicht jedes FR-4 oder jeder FR-Harztyp erfüllt automatisch V-0. Prüfen Sie stets UL-Eintrag oder TDS. - „Nur der Kern ist wichtig.“
Falsch. Alle PCB-Materialien – inklusive Beschichtungen und Klebstoffe – tragen zur endgültigen Flammklassifizierung bei. - „Die 10-Sekunden-Regel reicht.“
Jede Probe wird zweimal beflammt; Gesamtbrennzeit und Tropfverhalten zählen ebenfalls. - „Datenblatt = Konformität.“
Hersteller müssen die fertige Leiterplattenkonstruktion validieren, wenn Abmessungen, Harzsysteme oder Kupfergewichte vom bei UL geprüften Aufbau abweichen.
Kurz-FAQ
F: Was ist der Hauptunterschied zwischen 94V-0 und 94V-2?
A: V-0 erlischt schneller und bildet keine brennenden Tropfen. V-2 erlaubt brennende Tropfen und längeres Nachbrennen.
F: Ist jedes FR-4 auf V-0 eingestuft?
A: Die meisten modernen FR-4-Lamine sind es, aber bestätigen Sie den UL-Eintrag stets für Ihre Materialnummer und Dicke.
F: Benötige ich zusätzlich UL 796?
A: Ja. UL 796 zertifiziert den PCB-Aufbau, UL 94 die Material-Entflammbarkeit. Oft erscheinen beide zusammen auf der UL-Kennzeichnung.
Fazit
Flammklassifizierungen sind mehr als Zahlen – sie schützen Anwender und Produkte vor Brandgefahren. Wer das System UL 94 V-0/V-1/V-2 versteht, wählt passende PCB-Materialien, erfüllt Sicherheitsstandards und vereinfacht die Zertifizierung.
Kurz zusammengefasst:
- V-0 = bester Schutz (schnell selbstlöschend, keine Tropfen)
- V-1 = mittlerer Schutz (längere Brennzeit, keine Tropfen)
- V-2 = niedrigste vertikale Klasse (brennende Tropfen erlaubt)
Die frühe Wahl der richtigen Einstufung im Design stellt sicher, dass Ihre Leiterplatte die Konformitätsprüfung besteht, UL-Vorgaben erfüllt und langfristig zuverlässig im Feld arbeitet.
